Insel der 1000 Bagger & Baustellen

 

Man ist allenthalben am Bauen und am Baggern und bemüht sich eifrig, die Insel mit reichlich Beton zu zersiedeln.

Ich möchte nun vorweg einiges zu meiner Philosophie diesbezüglich sagen. Ich komme aus einer Stadt in Deutschland (Gießen), von der einmal Rudi, ein früherer Freund von uns, sagte: “Gießen hat den Vorteil, daß es überall, wo man hinkommt, schöner ist!” - Wenn Barbara und ich uns einmal einen schönen Tag in einer Stadt machen wollen, dann fahren wir ins 30 km entfernte Marburg.

Ungefähr seit 1960 wurde Griechenland allmählich vom Tourismus entdeckt. Zuerst zaghaft und ganz wenig (bis ca. 1970) und dann schlagartig immer mehr. Ich war mehrmals in Griechenland 1966 (Poros) , 1968 (Lindos), 1969 (Lindos), 1976 (Kreta), 1979 (Stoupa), 1980 (Ikaria), 1985 (Ikaria), 1989 (Mopedreise-Peloponnes), 2002 (Rhodos), darunter 2 mal länger als zwei Monate (1968 und 1980). Griechenland war für uns junge Deutsche, Engländer, Amerikaner (die teilweise als Tramper reisten, wie z.B. ich selber) in der Tat eine Zeitlang so etwas wie das  “Traumland der Sehnsucht” -  wie ein Film von 1961 mit der ergreifenden Musik von Nana Mouskouri betitelt war. Und warum war das so? Dafür gibt es mehrere wirklich gute Gründe, die synergetisch miteinander verbunden waren. Einer davon war jedenfalls der, daß Griechenland noch nicht vermurkst (engl. ‘spoiled’) war, daß es ‘ursprünglich’ war, daß Natur und Kultur hier in einer harmonischen Einheit miteinander waren. Selbst Athen war 1966 noch eine wunderbare Großstadt.

Die folgenden Bilder zeigen, wie Ikaria sich mit der ersten Schicht von Scheiße bedeckt (hat). Die ursprüngliche Einheit von Natur und Kultur geht (ging) zugrunde. Wir in Deutschland haben 5 Schichten von Scheiße, wobei nach jeder Schicht das seelische Leben an Qualität verlor und mehr und mehr gestörte Menschen herumliefen (obwohl der Wohlstand anwuchs).

Die erste Scheiße-Schicht stammt aus den 20er und 30er Jahren, also der Zeit nach dem 1.Weltkrieg. Davor hatten die Menschen noch einen hohen Sinn für Baukunst - man denke nur an den Jugendstil. Der Weltkrieg brachte eine deutliche Zäsur (warum auch immer): Die Bauwerke hatten ab dann durchgängig einen kollosalen Sprung in die Kunstlosigkeit gemacht. Es entstanden jede Menge triste, uniforme Wohnsiedlungen. Wirklich schöne Sachen, die vor dem 1. Weltkrieg Standard waren, wurden nicht mehr gebaut. Die Städteplanung war seitdem von feldgrauer militärischer Einheits-Ästhetik geprägt. - Die 2. Scheiße-Schicht war der Bombenkrieg, der Hunderttausende wunderbare und wertvolle Bauten, die sich in der deutschen Geschichte angereichert hatten, in Schutt und Asche legte. - Die 3. Scheiße-Schicht war der Nachkriegsaufbau (das berühmte “Wirtschaftswunder”) von 1950 bis 1970. Hier wurde das, was sich in den 20er und 30er Jahren angebahnt hatte, noch extremer fortgesetzt. Jetzt zusätzlich mit der Ideologie der Nüchternheit: d.h. keine Schnörkel, keine Verzierungen, kein “Zuckerbäckerstil”, keine Individualität, keine unnötigen Kosten. Viele wunderschöne Stuckverzierungen der übrig gebliebenen alten Bürger-Häuser aus der Kaiserzeit in den Großstädten wurden abgemeiselt, die alten Fachwerkhäuser in Dörfern oft mit Verputz übergeschmiert oder gar mit Eternit verkleidet, weil man sich ihrer schämte. Die nüchterne Bauhaus-Ideologie zusammen mit Wohnblocks und uniformen Ein- und Zwei-Familienhäusern wurde dermaßen millionenfach ausgeführt, daß kein Raum noch für was anderes blieb - es sei denn museale Konservierung ausgewählter alter Bauwerke. - Die 4. Scheiße-Schicht von 1970 bis ca. 1990 (in der Ostzone danach) war die vollkommene Unterordnung des gesamten Landes unter den unerbittlichen Moloch Verkehr mit einem gigantischen Ausbau des Straßennetzes und einem brüllenden, stinkenden, todbringenden Auto-Verkehr ohnegleichen - bis in die letzten Dörfer hinein. Die größeren Städte wurden zu großen Einkaufszentren umfunktioniert mit obligaten “Fußgängerzonen” im Zentrum - kennst Du eine kennst Du alle. Straßen wurden verbreitert, alte Alleebäume wurden gefällt, viele neue Straßen und Autobahnen wurden gebaut. Klöster und Burgen wurden renoviert und ihrer alten Schönheit und Ruhe beraubt. Hahnenkrähen wurde in den Städten verboten. Flüsse und Bäche - sowieso unendlich chemisch und fäkalienmäßig verdreckt - wurden begradigt und kanalisiert. Trabantenstädte (‘Sinfonien in Beton’) wurden errichtet. Jede Menge schöne alte Bauwerke, Plätze, Ecken und Bäume wurden niedergemacht. Fast alles wurde seiner Romantik beraubt. - Die 5. Scheiße-Schicht bahnte sich so ab 1990 an mit dem forcierten Bau von “Gewerbeparks”  inkl. Bau von riesigen  Einkaufsgebieten außerhalb von Städten und Dörfern  “auf der grünen Wiese”. Dieser Verwandlungsprozeß ist deutschlandweit noch voll im Gange.

Wenn man also jene fatale Entwicklung Deutschlands im Auge hat, ist es natürlich traurig mitanzusehen, wie so eine anmutige (und noch dazu grüne) griechische Insel die erste Stufe erreicht hat auf dem Weg zu einer Wüste der Seelenlosigkeit. Griechenland ist insofern leider immer weniger das “Traumland der Sehnsucht” von ehedem.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bagger in Armenistis:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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